Wissenschaftliche Forschung

CyberPoiesis. Theorie und Empirie der Netzmedialität

Manfred Fassler

Kommunikationstheorie
In Abgrenzung von kritisch-realistischen und kritisch-rationalistischen Epistemologien, von informatiktheoretischen Modellierungen und workplace studies soll ein neuer theoretisch-empirischer Zugang zu Netzmedialität und Netzkommunikation versucht werden, der von folgenden theoretischen Basisannahmen ausgeht:

  1. Der Computer ist nicht bloß als (allopoietische) Maschine und/oder als Werkzeug, sondern auch und vor allem als (autopoietisches) Medium zu begreifen.
  2. Der Computer sprengt die klassische Unterscheidung von Individual- und Massenmedium, er ist ein Massenindividualmedium.
  3. Die Computernetze ermöglichen eine neue Form der Interaktivität, die als Mensch-Computer-Mensch-Interaktivität beschrieben werden kann.

Auf diesen Vorüberlegungen aufbauend, widmet sich das Projekt einer vergleichenden Analyse bislang vorliegender Theorien der Netzmedialität: der autopoietischen Systemtheorie des Netzes (Peter Fuchs im Gefolge Niklas Luhmanns), den memetischen und cyberkritischen Ansätzen sowie dem System/Netzwerkansatz Volker Grassmucks. Gemeinsame Klammer all dieser Ansätze ist es, das Netz als eine neue Form der Selbstorganisation der Gesellschaft zu verstehen. Man kann diese netzbasierte Form der transitiven Selbstorganisation als CyberPoiesis bezeichnen, also als soziale wie kognitive Reproduktion durch cybermediale und cyberkulturelle Welten (und in ihnen).


Der empirische Teil des Projekts beschäftigt sich mit einer exemplarischen Überprüfung von Hypothesen zur Transformation der Gesellschaft durch die Netzkultur (Stichworte: Autologisierung der Kommunikationsverhältnisse; Viralität; Ent-Dualisierung von öffentlich/privat und Real Life/Virtual Reality). Dabei sollen erstmals Teilnehmer an Mailinglisten und Netzexperten in mehrstufigen Interviews und virtuellen Fokusgruppen untersucht werden.


Das Besondere des Projekts liegt somit in dem Versuch einer Verknüpfung von avancierten Medien- und Kommunikationstheorien (wie Konstruktivismus, Systemtheorie, Netzwerktheorie, Memetik und Cyberkritik) mit aktuellen Indikatoren zum Wandel der Gesellschaft durch Netzmedien (wie Vernetzung, Autologisierung, Ent-Dualisierung usw.) und mit empirischen Methoden (Fokusgruppeninterviews, qualitative wie quantitative Befragung via E-mail). Es handelt sich somit um ein Projekt im Netz über das Netz.