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Ich frage mich... Wie war das mit uns, Standard? Wie war das mit uns, vor einem Vierteljahrhundert Wer hat angefangen, sich
für den anderen zu interessieren? Andrea Maria Dusl für die 25-Jahre-Standard-Ausgabe des Standard.
Ich erinnere mich gut, aber nicht gerne an das Jahr, in dem ich 25 Jahre alt wurde. Ich war voller Tatendrang und Ideen und
voller Sehnsucht, damit abgeholt zu werden. Aber es kam niemand. Und weil niemand kam, mich abzuholen, setzte ich meine Ideen
selbst in Fahrt und fuhr die Welt ab. In Gedanken und immer öfter auch wirklich, mit dem Zug. Die Welt, das war Mitteleuropa.
Und es war geteilt. In einen sonnendurchfluteten Teil und in einen nebelig-trüben. Auch wenn die politischen Landkarten und
einige Aspekte der ökonomischen Verhältnisse einen anderen Trug lieferten - Österreich lag grösstenteils im trüben Teil Europas.
Wien war eine graue Stadt. Bevölkert von Übriggebliebenen, Zugereisten und den Hacklern und Putzfrauen vom Balkan. Kolonisiert
von trügerischen Partikeln amerikanischer Liberalität, unbedacht von der Peristaltik der Perestroika, durchsetzt mit Kameralistik,
diffus beleuchtet vom fahlen Schein sozialdemokratischer Zukunfts-Romantik. Dazwischen schrieen studentische Säbelfechter
und Altnazis nach Bier und Vergeltung.
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