The turtle
Chongqing − Wien (Sm art C)
Experimentelles Ausstellungsprojekt im Heiligenkreuzer Hof
Leitung: PRINZpod
Eurasien, Glaneurs/Glaneuse vor Ort ein experimentelles Ausstellungsformat mit Studierenden von PRINZpod
In der Ausstellung in Chongqing befand sich eine Vitrine aus Glas von circa 30 x 40 x 20 cm Größe, gefüllt mit Wasser
und lebenden Fischen, auf einem Sockel stehend. Die vier Ecken der Vitrine ruhten auf vier lebenden Schildkröten. Die Tiere
bewegten sich ununterbrochen in unterschiedliche Richtungen im Versuch zu fliehen, ein sinnloses Unterfangen, zu schwer war
doch das Gewicht der Kunst.
Schöpfer der Installation war der chinesische Künstler Wu Jianping, der sich vor allem mit
Mythen und deren Darstellung in moderner Literatur und zeitgenössischer Kunst befasst. Die Installation hatte den Titel: Compact
Past and Rarefied Future: King Lin‘s Bow.
Eine Gruppe von Studierenden der Universität für angewandte Kunst Wien
begab sich im Sommersemester 2016 zur Recherche nach Chongqing. Dabei war der Austausch mit chinesischen Künstler/innen ein
wesentlicher Aspekt für das Erfassen von (gemeinsamen) kulturellen Unterschieden. Alles schien anders, fremd und doch vertraut,
bis zur Konfrontation mit den Schildkröten.
Tiere in der westlichen Kunst haben bereits einiges hinter sich. Die zeremoniellen
Schlachtungsrituale eines Herman Nitsch, fiktive Blutorgien der Aktionisten oder präzise Dokumentationen einer Schlachtung
von Jean Eustache sind Vergangenheit. Heute hat die Fliege am Körper einer Frau von Yoko Ono und John Lennon einen anderen
Stellenwert. Das Opfer hat sich verschoben und der Anblick von gleich vier zappelnden Schildkröten ist für das westlich umgeschulte
Auge ein schmerzender Dorn. “Let the turtles free!” schrieben sich die Österreicher/innen an Ort und Stelle auf die Fahnen.
Doch die Welt ist eben rund und dort, wo die Sonne aufgeht, sind die Auffassungen nunmal andere. In China gehört die Schildkröte
als Symbol für Langlebigkeit einfach in erster Linie in den Kochtopf. “Don’t worry, we’ll have them later!” war die natürliche,
gut gemeinte Reaktion der chinesischen Teilnehmer/innen. Für die europäischen Künstler/innen jedoch war dies eine eindeutige
Grenzüberschreitung. Der Versuch Parallelen und Unterschiede der kulturellen, soziologischen und politischen Gegebenheiten
zu suchen, zu erfassen, sowie künstlerisch zum Ausdruck zu bringen, manifestierte sich in 16 rudernden Schildkrötenbeinchen
und den vier Hälsen, die sich scheinbar zur Rettung in Richtung EU reckten. Vergeblich natürlich.
Von 12.12. –
16.12.16 werden im Ausstellungszentrum der Angewandten im Heiligenkreuzer Hof die Arbeiten der Studierenden unter dem Titel
“the turtle” (Sm art C) präsentiert. Der Prozess der Annäherung an das Fremde bis zum Anstoß an die Grenzen globaler Allgemeingültigkeit
soll in der Ausstellung zum Ausdruck gebracht werden. Als Vertreter der chinesischen Sicht wird der Performer Zhou Bin, Artist
in Residence der Angewandten aus Chengdu, eingeladen, den Versuch zu wagen, seinen künstlerischen Ansatz in einer für ihn
fremden Umgebung zu formulieren. Die westlichen Positionen werden durch Installationen, Lesungen, diskursive Experimente repräsentiert.
Gelesen wird u. a. aus dem Roman “Gegen den Strich”, in dem ein weiterer Aspekt westlichen Gedankenguts zum Ausdruck kommt.
Der Schriftsteller Joris Karl Huysmans verfährt in seinem Buch wieder ganz anders mit der Schildkröte und war im Jahr 1884
der chinesischen Realität scheinbar näher als das Europa von 2016. Die Gäste und Teilnehmer/innen werden die Ausstellung mit
ihren unterschiedlichen Positionen experimentell infiltrieren. Neue Ausstellungsformate anzudenken sind Thema im letzten Stadium
des Projektes. In dieser finalen Präsentation soll die Reise in die Mitte ihren vorläufigen Abschluss finden.
Montag-Freitag
14-18 Uhr