Preis der Kunsthalle Wien 2016

Margit Busch, Andrej Polukord
15.11.2016
Ein Projekt der Kunsthalle Wien in Kooperation mit der Universität für angewandte Kunst Wien und der Akademie der bildenden Künste Wien, unterstützt von HS Art Service und DekoTrend GmbH. Die Ausstellung findet im Rahmen der Vienna Art Week statt.
Ausstellungseröffnung, Preisverleihung und Performance
Dienstag, 15. November 2016, 19 Uhr
Ausstellungsdauer
16. November 2016 bis 8. Jänner 2017

Als ein Ort „für die Vielfalt internationaler Gegenwartskunst und verwandte zeitgenössische Diskurse“ und als eine zugleich städtische Institution beobachtet die Kunsthalle Wien die junge, sich zunehmend internationalisierende Kunstszene der Stadt mit besonderer Aufmerksamkeit. Auch wenn sich hier zunehmend mehr Galerien und engagierte Offspaces ansiedeln, können doch nur rund 5 Prozent der ehemaligen Kunststudenten und -studentinnen später am Kunstmarkt reüssieren. Stipendien und Preise, die von der öffentlichen Hand und von etablierten Institutionen vergeben werden, vermögen diesen Weg in das komplexe Feld des Kunstsystems, in dem die Ökonomien von Aufmerksamkeit und Geld einander stets bedingen, zu ebnen. Dass der Preis der Kunsthalle Wien in diesem Sinn die Wirksamkeit eines „Point of departure“ hat, stellen sowohl seine hohe Wertschätzung bei den beiden Wiener Kunstuniversitäten als auch die Lebensläufe zahlreicher bisheriger Preisträger/innen unter Beweis.

Zurückgehend auf das Jahr 2002 wird dieser Preis seit 2015 in Kooperation sowohl mit der Universität für angewandte Kunst Wien als auch mit der Akademie der bildenden Künste Wien an je eine/n Absolvent/in dieser Institutionen vergeben. Der Preis der Kunsthalle Wien umfasst die Ausstellung der Preisträgerarbeiten in der Kunsthalle Wien Karlsplatz, je einen Katalog sowie ein Preisgeld von je 3.000 Euro, das 2016 zu gleichen Teilen von HS art service austria und Deko Trend GmbH zur Verfügung gestellt wird.
Auch 2016 hat sich die jeweils mehrköpfige Jury für Positionen entschieden, die eine deutliche konzeptuelle wie auch ästhetisch formulierte Eigenständigkeit haben und sich einem auf rein zeitgeistig kompatible Tendenzen fokussierenden Kunstmarkt nicht unmittelbar anbieten.

Margit Busch. IF-THEN-ELSE. Welcome to Transciency
Mit möglichen Konfigurationen von Kunst und Natur befasst sich auch die in der Zukunft lebende, von Margit Busch entdeckte Forscherin Else Sibil Somone. In ihrem transcientistischen Laboratorium züchtet sie z.B. Mehlwürmer und demonstriert dabei unter anderem, dass diese Larven und der sich daraus entwicklende Käfer (Tenebrio molitor) Styropor (Polystyrol) verwerten können.
Diese ökologische Einsichten generierenden, vielleicht einmal für die Welternährung (eiweißreiche Insekten!) relevanten, zukunftsweisenden Experimente sind indes nur ein Teil des ausgedehnten Forschungsfeldes von transciency, einer frisch aus der Taufe gehobenen Disziplin, die sich auch implizit prälogischen und transrationalen Phänomenen widmet (und sich ihrer bedient). Solche werden in der Ausstellung sowohl in Form einzelner Einrichtungsgegenstände des Laboratoriums als auch zusammenfassend durch eine Art Landkarte – die transmap – vermittelt. Spätestens auf dieser Karte wird deutlich, dass eine Haupterkenntnis von transciency besagt, dass die Welt nicht kategorisch logisch ist und sie sich damit auch nicht (nur) mit rein logischen Mitteln ergründen lässt. Dass herkömmliche Vorstellungen von Zeit und Raum hier mit Erkenntnissen konfligieren, die aus Disziplinen wie der Quantenphysik oder der Thermodynamik erst noch resultieren werden, liegt auf der Hand.

Wenn die DADAistin Elsa von Freytag-Loringhoven vor fast 100 Jahren sagte, dass „Kunst zu einem Labor der Ideen und Konzepte wird“, ließe sich heute sagen: das transcientistische Kunst-Labor wird zu einer Produktionsstätte von wissenschaftlich, philosophisch, künstlerisch und praktisch begehbaren Ideen und Konzepten.

Andrej Polukord. The Sarcophagus
So agiert Andrej Polukord weniger in traditionellen Kunsträumen als in und mit selbstgeschaffenen oder gefundenen Environments im Stadt- und Landschaftsraum. „Was mich besonders interessiert, ist ein Gefühl der Überraschung und der Unabsehbarkeit zu erzeugen. Ebenso wichtig sind mir Doppel- und Mehrdeutigkeiten, die eine wesentliche Rolle vor allem in meinen Performances spielen“, sagt der Künstler, der Situationen des Absurden als wesentliche Bereicherungen auch des Alltagslebens empfindet: „Absurdes befreit uns von dem Ernst, der unser Leben sonst immer bestimmt. Und Performance sollte eine enge Beziehung zum Leben haben, nur dann kann sie besonders emotional und verständlich wirken.“
Andrej Polukords Beitrag für die Kunsthalle Wien ist ein Sample aus Installation, Performance, Malerei und Video. Ein aus Ziegelsteinen gemauerter Kubus wird während der Eröffnungsperformance mit dem Titel The Sarcophagus etwas über dessen Innenleben zur Schau tragen, welches womöglich Ähnlichkeiten haben könnte mit jenen Hohlräumen, die der Künstler in seiner jüngsten Videoarbeit Höhlen als ertragreiche Fundgruben für Pilzsammler empfiehlt. Pilze wachsen derweil auch von der Decke des Ausstellungsraums herab, die der Künstler somit in einen Waldboden verwandelt – ist echter Wald als Agitationsraum für Kunst am Wiener Karlsplatz doch rar

Kurator: Lucas Gehrmann


Kurzbiographien
Margit Busch, *1964 in Tübingen/D, lebt und arbeitet in Wien. Automechanikerlehre in Berlin, Studium der Biologie an der Universität Bremen, Studium der Kunstpädagogik am Institut für Kunstwissenschaft der Universität Bremen. 2010 Stipendium Bildende Kunst an der Internationalen Sommerakademie Salzburg. 2016 Diplom am Institut f. bildende und mediale Kunst, Abt. Art&Science der
Universität für angewandte Kunst Wien (Prof. Virgil Widrich).
www.margitbusch.de

Andrej Polukord,*1990 in Vilnius, lebt in Wien und Vilnius. 2011–2015 Studium an der Akademie der bildenden Künste Wien (bis 2013
gegenständliche Malerei bei Prof. Birgit Megerle und Prof. Silke Otto-Knapp, anschl. Grafik und druckgrafische Techniken bei Prof. Gunter Damisch), Diplom 2015. 2014 Projektförderungs-Stipendium der Akademie der bildenden Künste Wien, 2015 Stipendium Forum St. Severin. 2014 Gründung der „Galerie Überall“ (seit 2015 gem. mit Mario Strk „Galerie Uberall“). Ausstellungen u.a.: Gallery Kalnas, Vilnius/LT (2014); Devil‘s Pit, Aukštadvaris/ LT; HilgerBROTKunsthalle, Wien; Hesh Halle, Baia Mare/RO (2015); Kunstraum
Niederösterreich, Wien (2016).
http://andrejpolukord.tumblr.com

Jury
Jurymitglieder an beiden Kunstuniversitäten waren Nicolaus Schafhausen und Lucas Gehrmann (beide Kunsthalle Wien), an der Universität für angewandte Kunst Wien außerdem Rektor Gerald Bast und Roland Schöny, an der Akademie der bildenden Künste Wien Mona Hahn, Erwin Bohatsch und Lorenz „eSeL“ Seidler.

Zur Ausstellung erscheinen zwei Kataloge mit Texten der Herausgeber und der Jurymitglieder, mit Künstlergesprächen sowie einem Abbildungsteil im Verlag Sternberg Press, Berlin.

Begleitprogramm
Mi 23/11 2016, 18 Uhr
Künstler/innengespräch: Margit Busch und Andrej Polukord im Gespräch mit Lucas Gehrmann
Do 1/12 2016, 18 Uhr
Kurator/innenführung mit Lucas Gehrmann und Vanessa Joan Müller

Kunsthalle Wien GmbH
Museumsplatz 1
1070 Wien, Austria
http://www.kunsthallewien.at/#/de
Margit Busch, IF–THEN–ELSE. Welcome to Transciency, Ausstellungsansicht Preis der Kunsthalle Wien 2016 Download
Margit Busch, IF–THEN–ELSE. Welcome to Transciency, 2016, Ausstellungsansicht Preis der Kunsthalle Wien 2016 Download
Porträt Margit Busch, Kunsthalle Wien 2016 Download
Margit Busch, Transcientistischer Arbeitsplatz, 2016, Ausstellungsansicht Preis der Kunsthalle Wien 2016 Download
Margit Busch, Transmap, 2016 Download