Die Universität für angewandte Kunst Wien führte bereits
2009/2010 einen breit angelegten internationalen Wettbewerb zur künstlerischen Umgestaltung des Lueger-Denkmals unter Einbeziehung
maßgeblicher Historiker:innen und Künstler:innen, Theoretiker:innen sowie Institutionen (siehe Liste am Ende der Erklärung)
durch. In den Wettbewerb waren zahlreiche anerkannte Historiker:innen und Künstler:innen sowie Institutionen eingebunden.
Im Mai 2010 wählte eine Jury, zusammengesetzt aus Künstler:innen, Wissenschafter:innen und dem Rektor der Angewandten (siehe
Liste am Ende der Erklärung) ein Siegerprojekt aus. Die Unterlagen des Wettbewerbes gingen im Mai 2010 an die Stadt Wien.
Geschehen ist nichts (außer einer kleinen Tafel), - mit dem Hinweis, dass das Thema angesichts der damals bevorstehenden Gemeinderatswahl
im Oktober 2010 „sehr heikel“ sei.
Die aktuelle Forderung der Kulturstadträtin, dass vor einer
Ausschreibung die technischen Voraussetzungen und die Bedingungen des Denkmalschutzes zu klären seien, ist völlig realitätsfremd,
weil die statischen Eigenschaften nur anhand eines konkreten Projekts beurteilt werden können. Auch das Bundesdenkmalamt beurteilt
(abgesehen von der im ORF-Kulturmontag zu hörenden allgemeinen Aussage wie „Es darf keinen irreversiblen Eingriff in die Substanz
eines Denkmals geben.“) die Zulässigkeit einer künstlerischen Intervention nur anhand eines konkreten Projekts. Wie konkret
der Denkmalschutzaspekt anhand eines spezifischen Projekts verhandelt wird, zeigen viele Beispiele, zuletzt auch die Erfahrung
unserer Universität mit der – zunächst - vom Denkmalamt untersagten Projektion der Arbeit von Lawrence Weiner auf die Fassade
der Angewandten. Seit Mai dieses Jahres ist seine Sprachskulptur „Smashed to Pieces“ bei Dunkelheit an der Außenmauer unseres
Hauses letztendlich nun doch zu sehen.
Es liegen umfangreiche wissenschaftliche Vorarbeiten
zur politischen „Ambivalenz der Person Karl Lueger“ - wie von der Kulturstadträtin als Vorbedingung für eine neuerliche
Wettbewerbsausschreibung gefordert - vor, wobei eine kontinuierliche Bearbeitung und Diskussion unabdingbar bleibt, und diese
gemeinsam mit Künstler:innen und anderen Stakeholder:innen voranzutreiben ist. Die Angewandte trägt dazu seit Jahren mit regelmäßigen
Interventionen und Veranstaltungen bei und wird dies auch in Zukunft tun. Auch im Rahmen des Wettbewerbs der Angewandten 2009/2010
erfolgten derartige Vorarbeiten. Und die Liste der wissenschaftlichen Publikationen zum Thema Erinnerungskultur ist sehr lang.
Eine der führenden Expert:innen zu diesem Thema, Aleida Assmann, war übrigens Jurymitglied im Wettbewerb 2009/2010.
Warum
über die Umbenennung des Lueger-Platzes erst NACH der Umgestaltung des Lueger-Denkmals diskutiert werden soll (so Frau Stadträtin
Kaup-Hasler beim Symposium im MUMOK am 7. 11.2021) ist völlig unverständlich. Diesen Beschluss könnte der Wiener Gemeinderat
innerhalb weniger Wochen fassen, wenn es den politischen Willen dazu gäbe. Dazu braucht es weder „technische Vorgaben“ noch
das Denkmalamt. Die Entscheidung für oder gegen den Namen einer Person, der einer Straße oder einem Platz gegeben wird, stellt
ein öffentliches politisches Bekenntnis zum Wirken dieses Menschen dar. Es gibt keinen Grund, den Beschluss, mit dem das öffentliche
politische Bekenntnis zum Wirken des bekennenden Antisemiten Karl Lueger zurückgenommen wird, bis zur Umgestaltung des Lueger-Denkmals
zu verzögern; im Gegenteil. Mit der Umbenennung des „Dr. Karl Lueger-Ring“ in „Universitätsring“ hat die Stadt Wien bereits
gezeigt, wie rasch eine Umbenennung erfolgen kann.
Das von Frau Kulturstadträtin Kaup-Hasler bemühte Argument,
es brauche die durch Denkmäler und Straßennamen manifestierte unangenehme Erinnerung an Persönlichkeiten deren politisches
Wirken abzulehnen ist, um die kritische Auseinandersetzung mit diesen Personen zu ermöglichen, überzeugt nicht. Hätte - dieser
Argumentation folgend - der Adolf-Hitler Platz im Jahr 1945 besser nicht in Rathausplatz umbenannt und diverse Hitler-Statuen
nicht entfernt werden sollen?
All diese Fakten legen mehr als nahe, dass sowohl die Umgestaltung oder
Entfernung des Lueger-Denkmals als auch die Umbenennung des Lueger-Platzes - wieder einmal - verzögert werden sollen. Wenn
Frau Stadträtin Kaup-Hasler jetzt sagt, dass „im Laufe des Jahres 2023 ein Siegerprojekt prämiert und danach mit der Umsetzung
begonnen werden kann“, dann sieht man schon wieder die spätestens 2024 stattfindenden Nationalratswahlen und spätestens
2025 stattfindenden Wiener Gemeinderatswahlen im Hintergrund leuchten, die das Thema wieder als „sehr heikel“ erscheinen lassen
könnten.
Der Senat und das Rektorat der Universität für angewandte Kunst Wien fordern daher Frau
Kulturstadträtin Kaup-Hasler und die gesamte Wiener Stadtregierung auf, unverzüglich zu handeln:
Wir fordern die
sofortige Umbenennung des Lueger-Platzes in „Friedl Dicker-Brandeis Platz“. Das wäre der erste, kurzfristig umsetzbare Schritt
zu einer Neukontextualisierung des Lueger-Denkmals, wenn das Denkmal zu Ehren eines bekennenden Antisemiten und Wegbereiter
der NS-Ideologie auf einem Platz steht, der nach einer Künstlerin und Designerin benannt ist, die von den Nazis im KZ Theresienstadt
ermordet wurde.
Gleichzeitig fordern wir, dass die Stadt Wien im Jänner 2022 einen Wettbewerb zur künstlerischen
Umgestaltung des Lueger-Denkmals ausschreibt. Die Einreichfrist soll im Juni 2022 enden und das Siegerprojekt des Wettbewerbs
aus dem Jahr 2010 ist in das Auswahlverfahren für ein aktuelles Siegerprojekt einzubeziehen. Spätestens bis Dezember 2022
soll der Wiener Gemeinderat entweder die Realisierung eines Siegerprojekts oder die Entfernung des Lueger-Denkmals beschließen.
Die Universität für angewandte Kunst Wien wird im Jahr 2022 durch ständig wiederkehrende Aktionen für alle
Bewohnerinnen und Bewohner des Lueger-Platzes, für alle Ärzt:innen, Rechtsanwält:innen, Geschäftsinhaber:innen und Restaurantbesitzer:innen
am Lueger-Platz, für alle Passant:innen und Tourist:innen sichtbar und hörbar machen, was Lueger im österreichischen Parlament
und in diversen Versammlungen gesagt hat:
„Die Juden üben hier einen Terrorismus aus, wie
er ärger nicht gedacht werden kann.“ (Rede am 20. Juli 1899 vor dem christlich-sozialen Arbeiterverein in Wien.)
„Der
Antisemitismus wird erst dann zugrunde gehen, wenn der letzte Jude zugrunde gegangen sein wird.“ (Sitzung des Hauses
der Abgeordneten des österreichischen Reichsrats am 26. Mai 1894, Stenographisches Protokoll Seite 14.622)
„Abg.
Popper: Wenn er aber gesagt hat, dass von ihm niemals Worte gebraucht worden sind, welche auf die Verhetzung des Volkes sich
beziehen, so erinnere ich an die bekannten Worte des Herrn Dr. Lueger in einer großen Volksversammlung, wo er gesagt hat,
es sei ihm gleichgültig, ob man die Juden henkt oder schießt.“ Zwischenruf Abg. Dr. Lueger: “Köpft! habe ich gesagt!"
(Sitzung des Hauses der Abgeordneten des österreichischen Reichsrats am 26. Mai 1894, Stenographisches Protokoll Seite 14.623)
Diese und andere Aussagen Luegers werden wir in ihrer unverschleierten Brutalität und Menschenverachtung den Augen und Ohren
der Menschen, die in Wien leben, die nach Wien als Tourist:innen oder Geschäftsleute kommen und den österreichischen und internationalen
Medien im Originalwortlaut zumuten. Damit alle wissen, welcher Mann hier im Jahr 2022 mit einem Platznamen und einer Statue
im Herzen von Wien geehrt wird.
Senat und Rektorat der Universität für angewandte Kunst Wien am 10.
Dezember 2021
Unterstützer*innen, Autor*innen im Rahmen des Wettbewerbs zur künstlerischen
Umgestaltung
des Lueger-Denkmals 2009/2010Barbara Albert, Filmemacherin
Aleida Assmann, Literatur- und Kulturwissenschaftlerin
Gerald Bast, Rektor an der Universität für angewandte Kunst Wien
Eva Blimlinger, Historikerin
Ljubomir Bratic,
Theoretiker
Sabeth Buchmann, Kunsthistorikerin und -kritikerin
Boris Buden, Philosoph
Isolde Charim, Publizistin
Diedrich Diedrichsen, Kulturtheoretiker
Martin Fritz, Kurator und Publizist
Harald D. Gröller, Historiker
Daniela
Hammer-Tugendhat, Kunsthistorikerin
Hans Haacke, Künstler
Felicitas Heimann-Jelinek, Chefkuratorin Jüdisches Museum
Wien
Jasmina Hirschl, Studentin
Kathrin Hoffmann-Curtius, Kunsthistorikerin
Elisabeth Kittl, Studentin
Veronika
Kocher, Studentin
Evá Kovács, Kulturwissenschafterin
Martin Krenn, Künstler, Initiator des Wettbewerbs zur künstlerischen
Umgestaltung des
Luegerdenkmals 2009/2010
Verena Krieger, Kunsthistorikerin
Claudia Kuretsidis-Haider, Historikerin
Rudolfine Lackner, Studentin
Walter Manoschek, Historiker
Ruth Noack, Kuratorin
Lilly Panholzer, Studentin
Andreas Peham, Rechtsextremismus-Experte im Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW)
Anton Pelinka,
Politologe
Alexander Pollak, Sprachwissenschaftler
Barbara Putz-Plecko, Vizerektorin an der Universität für angewandte
Kunst, Ltg. Abt Kunst-und kommunikative Praxis
Doron Rabinovici, Schriftsteller, Essayist und Historiker
Gerald
Raunig, Theoretiker
Matthias Reichelt, Kunstkritiker
Anja Salomonowitz, Filmemacherin
Robert Schindel, Schriftsteller
Nora Sternfeld, Kunstvermittlerin
Heidemarie Uhl, Historikerin
Anselm Wagner, Kunsthistoriker und -kritiker
Felicia Waldman, Sprachwissenschaftlerin
Martin Wassermair, Historiker
Ruth Wodak, Sprachwissenschaftlerin
ZARA – Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit
Österreichische Lagergemeinschaft Ravensbrück & FreundInnen
Redaktionskollektiv
der Zeitschrift MALMOE
Verein Gedenkdienst
gedenkdienst.atHochschülerInnenschaft
der Universität für angewandte Kunst Wien HUFAK
Österreichische HochschülerInnenschaft, Bundesvertretung
Plattform
Geschichtspolitik
Jurymitglieder des Wettbewerbs zur künstlerischen Umgestaltung des Lueger-Denkmals
2009/2010Aleida Assmann, Literatur- und Kulturwissenschaftlerin, Professorin an der Universität Konstanz
Gerald Bast, Rektor der Universität für angewandte Kunst Wien
Eva Blimlinger, Historikerin
Felicitas Heimann-Jelinek,
Chef-Kuratorin jüdisches Museum Wien
Johanna Kandl, Künstlerin
Martin Krenn, Künstler
Lisl Ponger, Künstlerin
Doron Rabinovici, Schriftsteller, Essayist und Historiker