ERASMUS-Sonderprogramm
für ukrainische Studierende wäre konkrete Hilfe, positives Zeichen und politisches Signal
Brief
von Rektor Gerald Bast an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vom 28.2.2022
03.03.2022
Sehr geehrte Frau
Präsidentin!
Der kriegerische Überfall auf die Ukraine nimmt das demokratische Europa in die Pflicht, den Charakter
und die Bedeutung der Europäischen Union als Wertegemeinschaft zu betonen. In der gegenwärtigen Situation heißt das nicht
nur, jene klar und wirksam zu sanktionieren, die diese europäischen Werte buchstäblich mit Füßen treten, sondern
auch mit positiven Zeichen Wirkung zu erzielen. Auch wenn die aktuelle Forderung nach sofortiger Aufnahme der Ukraine in die
Europäische Union realpolitisch nicht umsetzbar sein wird, so könnte die EU doch eine europapolitische Maßnahme setzen, die
auf vielen politischen und individuellen Ebenen großes Wirkungspotenzial hätte: ein zeitlich befristetes ERASMUS-Sonderprogramm
für die Ukraine.
Mit einem derartigen Sonderprogramm sollte Student:nnen ukrainischer
Universitäten für ein Jahr ein Studienplatz an einer Universität in einem EU-Land und ein Stipendium zur Deckung der Lebenserhaltungskosten
geboten werden. Wichtig wäre eine rasche und unbürokratische Abwicklung über die einzelnen Universitäten, die sich mit einer
definierten Anzahl an Studienplätzen an dem Programm beteiligen wollen und dafür Budgetmittel von der EU erhalten.
Mit diesem Programm könnte die EU demonstrativ vielen jungen Menschen die Möglichkeit zur Fortsetzung ihrer Studien in desaströsen
Zeiten geben, die EU und ihre Universitäten könnten aktiv und nachhaltig unter Beweis stellen, dass die Förderung der europäischen
Werte nicht nur ein Lippenbekenntnis ist. Darüber hinaus würde die EU, indem sie jungen Menschen ermöglicht, sich auch
und gerade in Zeiten eines kriegerischen Angriffs gegen ein demokratisches Land weiter der freien Wissenschaft oder der freien
Kunst zu widmen, wohl auch Freunde fürs Leben gewinnen.
Und schließlich wäre die kurzfristige Ausweitung eines der erfolgreichsten
EU-Programme auf ein von einem Aggressor bedrohtes EU-Nachbarland auch ein deutliches politisches Signal der Europäischen
Union gegenüber der Russischen Föderation – zusätzlich zu den beschlossenen oder noch zu beschließenden Sanktionen auf der
ökonomischen Ebene.
Mit besten Grüßen und allen guten Wünschen für Ihre verantwortungsvolle Arbeit in diesen
schweren Zeiten
Dr. Gerald Bast