Friedl
Dicker-Brandeis. Werkstätten bildender Kunst
19.09.2022
23. September – 26. November 2022
Mittwoch–Samstag, 14 –18 Uhr, freier Eintritr
Eröffnung: 22. September 2022, 18 Uhr
Universitätsgalerie der Angewandten
im Heiligenkreuzerhof,
Schönlaterngasse 5, Stiege 8, 1. Stock, 1010 Wien
Das künstlerische Werk von Friedl
Dicker-Brandeis ist vielschichtig und multimedial. Es reicht von Grafiken, Malereien, Spielzeugen, Bühnenbildern und -kostümen
über architektonische Entwürfe, modulare und wandelbare Möbel bis zu Textilien, Taschen, Bucheinbänden und politischen Fotocollagen.
Als Kunstvermittlerin und -pädagogin war sie auch noch nach ihrer Deportation ins KZ Theresienstadt im Jahr 1942 tätig. 1944
wurde sie in Auschwitz ermordet.
Während ihrer kurzen Karriere arbeitete Dicker fortlaufend in unterschiedlichen Kollaborationen
und Arbeitsverhältnissen. Ihr komplexes Werk macht sie zu einer herausragenden Künstlerin der europäischen Moderne. Dass sie
in der Kunstgeschichte dennoch kaum sichtbar wird, hat vielfältige Ursachen, darunter geschlechtsspezifisch, politisch und
antisemitisch bedingte Formen der Marginalisierung. Lange Zeit wurde Dicker primär als Partnerin des Architekten Franz Singer
wahrgenommen. Ihre Verfolgung als Sozialistin und Jüdin ab den 1930er Jahren brachte mit sich, dass zentrale Teile ihres Werks
zerstört wurden oder verloren gingen. Die Auseinandersetzung mit ihrem Gesamtwerk ist auch heute längst nicht abgeschlossen.
Die Tendenz der Kunstgeschichte, den Kanon zum 20. Jahrhundert entlang der Trennung von Medien
und einer vermeintlichen Dichotomie von bildender und angewandter Kunst zu etablieren, hat die Einordnung und Interpretation
von Dickers interdisziplinärem Œuvre sicherlich erschwert. Das Interesse an der Überschreitung etablierter Kategorien wird
bereits im Frühwerk der Künstlerin deutlich. Mit der Benennung ihrer ersten Firma als Werkstätten Bildender Kunst GmbH formulierten
Dicker und Singer ein avantgardistisches Verständnis von bildender Kunst als materieller Arbeit am gesellschaftlichen Ganzen.
Die Ausstellung greift diese Beobachtung konzeptuell auf. Entlang von Arbeiten aus Kunstsammlung und Archiv rückt sie Dickers
gattungs- und medienübergreifende Praxis und deren materielle, formale und thematische Vielschichtigkeit ins Zentrum. Die
Schau adressiert Arbeitsweisen und deren politische und historische Kontexte, aber auch die unterschiedlichen intellektuellen
und künstlerischen Milieus, mit denen Dicker verbunden war. Sie zeichnet ihre vielseitige Bildung an Institutionen wie der
Wiener Graphischen Versuchs- und Lehranstalt, der Wiener Kunstgewerbeschule und dem Weimarer Bauhaus nach, rekonstruiert ihre
über das Kunstfeld hinausreichenden persönlichen Netzwerke und fragt nach ihrer Auseinandersetzung mit zeitgenössischen Entwicklungen
in Kunst und Theorie. Friedl Dicker-Brandeis wird so als Künstlerin gezeigt, die trotz ihrer oft prekären Lebens- und Produktionsbedingungen
vielseitige, ungewöhnliche und politisch widerständige Gestaltungen für unterschiedliche Gemeinschaften und Kontexte entwickelte.
Die Ausstellung beleuchtet damit nicht zuletzt die in Österreich einzigartige öffentliche Sammlung der Universität
für angewandte Kunst Wien, die Arbeiten aus allen wichtigen Werkphasen der Künstlerin umfasst. Sie ist eng mit dem Engagement
Oswald Oberhubers verbunden. Als Künstler, Ausstellungsmacher und später als Rektor der Hochschule für angewandte Kunst setzte
er sich für die Re-Etablierung von Avantgarde-Künstler:innen und vom nationalsozialistischen Regime ermordeten, vertriebenen
oder auf andere Weise marginalisierten Figuren der österreichischen Kulturlandschaft ein. Die Arbeiten von Friedl Dicker-Brandeis
zeigte er erstmals 1976 in der Schau Österreichs Avantgarde 1900–1938. Ein unbekannter Aspekt in der Galerie nächst St Stephan
sowie in der Ausstellung Die Vertreibung des Geistigen aus Österreich. Zur Kulturpolitik des Nationalsozialismus,
1985 an der Hochschule für angewandte Kunst Wien. Ein Engagement, das durch die Ausstellung 2 x Bauhaus in Wien. Franz
Singer, Friedl Dicker, von Georg Schrom und Stefanie Trauttmansdorff 1988/89 an der Angewandten fortgesetzt wurde.
Die Ausstellung Friedl Dicker-Brandeis. Werkstätten bildender Kunst präsentiert zudem ausgewählte Ergebnisse
eines zweijährigen Forschungsprojekts, die in der von Stefanie Kitzberger, Cosima Rainer und Linda Schädler herausgegebenen,
umfangreichen Publikation Friedl Dicker-Brandeis. Werke aus der Sammlung der Universität für angewandte Kunst Wien vertieft
werden. Diese wird im Rahmen der Vienna Art Week am 22. November 2022 im großen Auditorium der Universität für angewandte
Kunst Wien vorgestellt.
Im Frühjahr 2023 wird die Ausstellung in der Graphischen Sammlung ETH Zürich zu sehen
sein.