Film und
Fernsehen inszenieren Abtreibungen gern als Krise, Trauma oder Mordmotiv. Und viele Zuschauer*innen übernehmen diese Perspektive.
Aber als spectators sind wir immer auch speculators – Wie können wir das spekulative Potential von Fiktion nutzen? Und wo
verspekulieren wir uns?
Wer nach Abtreibungen in Film- und Fernseharchiven sucht, muss spekulieren
lernen. Ob und welche Figuren eine Schwangerschaft in fiktiven Drehbüchern abbrechen, liegt oft zwischen Code-Wörtern, Umschreibungen
und Auslassungen der Begleittexte begraben. Benutzt man die Archive jedoch als Spekulationsräume, lassen sich viele Abtreibungsgeschichten
finden. Die meisten davon zeichnen leider ein sehr düsteres und oft klischeehaftes Bild, das den wirklichen Erfahrungen vieler
Menschen nicht gerecht wird. Während das US-amerikanische Forschungsprogramm Abortion Onscreen „accurate“, also richtige Repräsentationen
von Abtreibungen fordert, stelle ich infrage, ob der Ruf nach Realismus wirklich hilfreich ist. Sollten wir im Sinne des feministischen
Spekulierens nicht eher für Plotlines plädieren, die sich Fiktion zunutze machen und qua Spekulation neue Narrative und neue
Bilder von Abtreibungen entwerfen? Vielleicht sogar Darstellungen, die wir selbst noch nicht verstehen oder sehen können?
Können wir als spectators dieser Filme und Serien auch speculators sein und über angelernte Sehgewohnheiten hinausgehen bzw.
hinaussehen? Hier kann das Konzept des „situierten Sehens“ helfen, das wir zusammen diskutieren werden.
Franzis
Kabisch lebt und arbeitet als Künstlerin, Kulturwissenschaftlerin und Pro-Choice-Aktivistin in Berlin und Wien. Ihr
aktuelles Projekt zu Darstellungen von Abtreibungen hat 2019 im Rahmen des BKA-START-Stipendiums als Dokumentarfilmprojekt
begonnen und wird aktuell als Promotion am Institut für Kunst- und Kulturwissenschaften der Akademie der bildenden Künste
Wien weitergeführt.
The talk will be in German. A short summary in English will be provided afterwards.www.franziskabisch.net