1930 verlässt Margarete Schütte-Lihotzky (1897–2000)
gemeinsam mit ihrem Mann Wilhelm Schütte sowie zahlreichen Mitarbeitern der „Brigade Ernst May" Frankfurt am Main und arbeitet
fortan in der UdSSR. Dort ist sie bis zu ihrer Abreise nach Paris 1937 am Moskauer Architektur-Institut unter Hannes Meyer
tätig. Neben zahlreichen Entwürfen von Typenwohnungen und -kindergärten, Kindersanatorien und Schulbauten, deren Projektleitung
sie zum Teil innehat, ist sie vor allem in den Jahren 1935 bis 1937 mit detaillierten Entwürfen für Kindermöbel und einer
Mustereinrichtung von Kinderkrippen befasst.
Das heute an Kunstsammlung und Archiv bewahrte Material zu diesen Mobiliar-Entwürfen
war ursprünglich für zwei unrealisiert gebliebene Publikationsprojekte vorgesehen: eine Forschungsarbeit mit Entwürfen zu
Typenmobiliar für die Betreuung von Säuglingen in Kinderkrippen und ein wissenschaftlich begleitetes Vorlagenwerk mit Kindermöbeln
für Wohnungen. Letzteres weist Überlegungen zur Präsentation in Form einer – ebenfalls unausgeführten – Musterausstellung
auf, für die Schütte-Lihotzky ihre Entwürfe nummeriert und in Clustern gruppiert, sowie nach Alters- und Anforderungsstufen
kategorisiert. Ergänzt werden diese Anmerkungen von kurzen, selbstverfassten Erläuterungstexten der Architektin.
Nach der vielbeachteten monografischen Ausstellung 2024, kuratiert von Bernadette Reinhold und Stephanie Buhmann für das
Austrian Cultural Forum in New York nimmt das Institut Kunstsammlung und Archiv das 25. Todesjahr der Architektin zum Anlass,
deren Praxis anhand eines „Close-Readings“ dieser beiden Fallbeispiele zu betrachten. Die Ausstellung
Moskau Material
ermöglicht erstmals einen vertiefenden Blick auf die Skizzen, Vorstudien, (Detail-) Pläne, Visualisierungen zu den Entwürfen
für Kindermobiliar, vermittelt durch Schütte-Lihotzkys eigene schriftliche Erläuterungen. Darüber hinaus ergänzen zahlreiche
Fotografien der Architektin aus der Moskauer Zeit sowie Archivalien, Briefe und Postkarten als visuelle Kommentare ihre Perspektive
auf den Aufbau der UdSSR in den 1930er Jahren. Insofern der Entstehungsprozess des Materials zu den Kindermöbeln in die Phase
des sogenannten „großen Terrors" fällt, ist es im Hinblick auf politische und soziale Spannungsverhältnisse besonders aufschlussreich.
Die Entwürfe und Überlegungen erlauben nicht nur, die private und öffentliche Gestaltungsauffassung Schütte-Lihotzkys nachzuvollziehen,
sondern auch, ihre komplexe und widersprüchliche Positionierung innerhalb der politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse
dieser Zeit sichtbar werden zu lassen.
Die Ausstellung begleitet den Prozess der weiteren Aufarbeitung und Erschließung
des weit über 10.000 Objekte umfassenden Nachlasses der Architektin, der an Kunstsammlung und Archiv derzeit im Rahmen eines
Digitalisierungsprojekts durchgeführt wird.
Das Begleitprogramm zur Ausstellung wird in Kooperation mit dem Margarete
Schütte-Lihotzky Zentrum veranstaltet.
Näheres dazu:
https://kunstsammlungundarchiv.at/https://www.schuette-lihotzky.at/de/nKonzeption und Ausstellungsgestaltung:
Robert Müller
Gesamtleitung: Cosima Raimer
Ausstellungsorganisation: Judith Burger, Anja Seipenbusch-Hufschmied
Digitalisierungsprojekt: Silvia Herkt, Bettina Buchendorfer
Eröffnung: Freitag, 7. März 2025, 18.00 Uhr
Ausstellungsdauer:
8. März – 5. April 2025
Ort: Universitätsgalerie der Angewandten im Heiligenkreuzerhof
Schönlaterngasse 5 / Grashofgasse
3, 1010 Wien
Stiege 8, 1. Stock
Öffnungszeiten: Mittwoch–Samstag: 14:00–18:00, an Feiertagen geschlossen